Die Geschichte der Geilenkirchener Kreisbahnen
von der Kleinbahn bis zur Selfkantbahn
Mit der freundlichen Genehmigung von Herrn Schweers darf ich bei Alsdorf Damals Alsdörp Fröjjer den " Heggeströöefer " ( Heckenstreifer ) vorstellen. Ein herzliches Dankeschön an Herrn Schweers vom Verlag Schweers + Wall GmbH in Köln.
Bahnliteratur für Liebhaber und Profis oder Die " Geilenkirchener Kreisbahnen " - 100 Jahre 1900-2000, die Straßenbahn, und vieles mehr...präsentiert die Homepage von Schweers + Wall.
Auf der Suche nach Bilder vom Heggeströöefer fand ich die Geschichte von der Geilenkirchener Kreisbahn. Die Schriftenreihe " Historischer Schienenverkehr " Band 1 Verlag Schweers + Wall ermöglicht es hier auf der Seite Bilder und Info zu präsentieren.Sehr interessant finde ich diese Geschichte " Eine Bahn soll den Selfkant mit Alsdorf verbinden ".
Ein typischer Kleinbahnzug der GKB steht abfahrbereit am Bahnsteig in Alsdorf
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Eine Bahn soll den Selfkant mit Alsdorf verbinden
Planung und Bau
Der Kreis Geilenkirchen war auch nach Eröffnung der Eisenbahnstrecke Aachen - Mönchengladbach verkehrlich noch schlecht erschlossen. Die Eisenbahnstrecke ( ab 1.1.1882 Staatsbahn ) durchschnitt den Kreis in seiner Mitte von Süden nach Nord - Osten, die südöstlichen und westlichen Teile des Kreises, insbesondere der Selfkant, lagen jedoch weitab und hatten keinen Anschluß an die Staatsbahn. Aus diesem Grunde beschloß der Kreistag den Bau einer Kleinbahn, die vom Grubenbahnhof der Grube Anna in Alsdorf ( Kreis Aachen ) ausgehend die Hauptorte des Kreises berührt und über Puffendorf, Geilenkirchen, Birgden und Gangelt bis an die holländische Grenze sich erstreckt. Die Bahn sollte gemäß Kreistagsbeschluß vom 4. März 1895 als Kleinbahn nach dem Gesetz vom 28. Juli 1892 erbaut werden ( Kleinbahngesetz ), und zwar als Schmalspurbahn mit der Spurweite von einem Meter und einer Gesamtstreckenlänge von 37,5 km. Der Kreis hoffte damit, durch die neue Ost - West - Zubringeisenbahn zur Staatsbahnstrecke und den sich zwischen den Orten des Kreises entwickelten Lokalverkehr die wirtschaftliche Struktur des Kreises zu verbessern.
Die Eisenbahnbau - und Betriebsgesellschaft Lenz & Co. GmbH zu Stettin, die gerade mit den Kreisen Euskirchen und Bergheim Verträge über Kleinbahnen abgeschlossen hatte, wurde mit den Vorarbeiten beauftragt. Die Benutzung der Wege und Straßen wurde in der Planung grundsätzlich vermieden, doch lehnte sich die Trasse der Bahn vielfach Wegen und Straßen an, um Parzellendurchschneidungen zu vermeiden. Besonders im östlichen Teil von Alsdorf bis Geilenkirchen und in dem vor Gangelt gelegenen westlichen Teil führte die Bahn neben der Straße her. Ein Anschluß an den Staatsbahnhof Alsdorf war nicht geplant, da dieser wegen der vorhandenen Bergwerksanlagen der Grube Anna nur mit großem Kostenaufwand durchzuführen gewesen wäre. Lediglich in Geilenkirchen war ein Anschluß an die Staatsbahn geplant, dazu waren die einzigen größeren Erdarbeiten vorgesehen und entsprechend im Kostenvoranschlag berücksichtigt. Die übrige Trassierung der Strecke schmiegte sich zur Ersparung größerer Kunstbauten weitgehend den Geländeformationen an; die größte Steigung war mit 1:40 geplant, als kleinster Halbmesser war ein Radius von 100 m gewählt worden. Damit wurden die Trassierungselemente, die für Schmalspurbahnen gestattet waren ( bis 50 m Halbmesser ), nicht voll ausgeschöpft, was sich aber nur vorteilhaft auf den Betrieb auswirken konnte. Dennoch sind in späteren Betriebsjahren oftmals kleinere Trassenverbesserungen und Vergrößerungen der Radien vorgenommen worden. Der Hauptteil der Bahn von Bahnhof Alsdorf bis einschließlich Bahnhof Süsterseel war mit einem Kostenaufwand von 1.260.000 Mark veranschlagt worden. Er sollte durch Lenz & Co. für Rechnung des Kreises und als Eigentum des Kreises gebaut werden, Lenz & Co. sollte die Betriebsführung übernehmen. Die Firma Lenz & Co verpflichtete sich darüberhinaus, die Strecke über Süsterseel hinaus bis Tüddern um 3,73 km zu verlängern. Für die Verlängerung sowie für den Anschluß der Grube Anna an die Kreisbahn wurde das Kapital von Lenz & Co gegeben. Die Bausumme für die Kreisbahnstrecke Alsdorf - Süsterseel wurde vom Kreis mittels Anleihe bei der Landesbank aufgebracht und für den Rest haftete Lenz & Co mit Mitteln. Mit dem Zeitpunkt der Betriebseröffnung sollten alle Einnahmen des Betriebes der Betriebsunternehmerin zufließen, die daraus sämtliche Betriebsausgaben zu bestreiten hatte. Als jährliche Pacht waren dem Kreis 4 Prozent des laut Kostenvoranschlages vom Juli 1897 festgesetzten Anlagenkapitals in Höhe von 1.260.000 Mark garantiert. Sollten die Betriebseinnahmen hierzu nicht ausreichen, so hatte die Gesellschaft das an 4% Fehlende aus eigenen Mitteln zuzuschießen. Vom Standpunkt der Liquidität aus sehr gut, begründete diese Vereinbarung doch unübersehbare Verpflichtungen für die Zukunft. Diese Finanzierungsart einer durch Lenz & Co gebauten Kleinbahn war erstmals 1894 beim Bau der Euskirchener Kreisbahn vereinbart worden im Gegensatz etwa zu den Kleinbahn - Finanzierungen im Osten, wie zum Beispiel für den weniger finanzkräftigen Kreis Bromberg. Dort hatte Lenz die Finanzierung über ein Berliner Bankhaus noch selbst übernommen und ließ sich dafür vom Kreis eine jährliche Rendite von 4% des Anlagenkapitals garantieren. Nach einer zweiten Kreistagssitzung am 11. Januar 1896, auf der der Kreisausschuß ermächtigt wurde, kam es im Frühjahr 1898 zum Vertragsschluß. Die von Lenz und Co im Dezember 1895 gegründete Westdeutsche Eisenbahn - Gesellschaft ( WEG ), trat von Anfang an in den Vertrag mit ein und übernahm später die Betriebsführung. Für die finanziellen Verpflichtungen aus diesem Vertrag der Westdeutschen Eisenbahn - Gesellschaft bzw. von Lenz & Co GmbH bürgten die Berliner Handels - Gesellschaft sowie der A. Schaaffhausensche Bankverein.
Infolge behördlicher Auflagen wurden Änderungen der ursprünglichen Trassierung notwendig, die eine Erhöhung der veranschlagten Kosten um 91.000 Mark auf 1.351.000 Mark für die als " Hauptstrecke " benannte Strecke Alsdorf - Geilenkirchen - Süsterseel brachten. Pro Kilometer waren also rund 40.000 Mark aufzuwenden, was als Standardpreis für die damalige Zeit anzusehen ist. Eine Ausführung als Regelspurstrecke hätte 80.000 bis 100.000 Mark pro Kilometer erfordert ( Lindern - Heinsberg z.B,: 82.000 DM / km ) . Lediglich die Kosten für eine Schmalspurbahn in 75 cm- Spur wären mit ca. 30.000 Mark / km noch darunter geblieben. Die Verlängerung um 3,73 km bis Tüddern sollte nochmals 162.000 Mark kosten, die bei Übernahme dieser zunächst im Eigentum von Lenz & Co verbleibenden Strecke vom Kreis Geilenkirchen erstattet werden sollten. Diese Übernahme durch den Kreis wurde in einem ersten Nachvertrag im Dezember 1905 vertraglich vereinbart. Die Ausführung der Anlagen und die Ausstattung sollten in derselben Weise erfolgen, welche bei der Kreisbahnstrecke angewendet wurden. Lenz & Co und die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft ( WEG ) planten denn auch, beide Strecken zu einer einheitlichen Betriebsstrecke zusammenzufassen. Der Endpunkt Tüddern erhielt ebenso wie Geilenkirchen und Alsdorf ein festes Bahnhofsgebäude und zusätzlich einen Lokomotivschuppen für eine Lok, die morgens bei Betriebsbeginn von Tüddern aus eingesetzt werden sollte. Binnen zehn Monaten war laut Vertrag von 1898 der Bau der Bahn zu beenden und die Bahn dem Betrieb zu übergeben. Der Vertrag mit dem Kreis lautete zunächst auf 44 Jahre, mindestens aber solange, bis die planmäßige Tilgung des vom Kreis als Darlehen aufzunehmenden Anlagekapitals beendet wäre.
Die Konzession wurde am 26.9.1899 für zunächst 50 Jahre durch den Regierungspräsidenten zu Aachen erteilt. Die Kleinbahn war wie andere Kleinbahnen nicht berechtigt, Güter zur Weiterbeförderung zu übernehmen, die von einer Eisenbahnstation im Durchgang über die Kreisbahn nach einer anderen Eisenbahnstation befördert werden sollten. Die Geschwindigkeit der Züge wurde innerhalb der Ortschaften auf 10 km/h, auf Straßen und Wegen 20 km/h und auf eigenem Bahnkörper auf 30 Kilometer in der Stunde festgesetzt.
Zwei Jahre nach Vertragsabschluß war es dann soweit: am 2 April 1900 meldete die Tageszeitung " Echo der Gegenwart " der langgehegte Wunsch der Eröffnung der neuen Kreisbahn wird sich also nächsten Samstag erfüllen. Bereits im Januar 1900 war in derselben Zeitung die baldige Eröffnung bekanntgegeben und in Annoncen ein Fahrplan verkündet worden, " gültig vom Tage der Betriebseröffnung ". Dieser Fahrplan sah auf beiden Strecken ( Geilenkirchen - Alsdorf, Geilenkirchen - Tüddern ) täglich vier Zugpaare vor. Laut Vertrag zwischen Kreis und Lenz & Co bzw. WEG sollte " ... die Personenbeförderung in zwei Wagenklassen... mindestens dreimal täglich in jeder Richtung, auf der Strecke Geilenkirchen - Wehr jedoch viermal täglich stattfinden. Die Züge sollen den bestmöglichen Anschluß an die Staatsbahnzüge in Geilenkirchen gewähren. ( Quelle: Vertrag vom Frühjahr 1899, Paragraph 17 ). Am 6 April stellte die bisherige Postkutschenverbindung ihren Betrieb ein. Zwischen Setterich und Alsdorf verkehrte die Postkutsche bis dahin zweimal täglich und befördete Postsachen sowie Reisende. Der Zug der Kleinbahn verkehrte ab dem darauffolgenden Tag, dem 7. April 1900, viermal täglich. In späteren Jahren wurde die werktägliche Zugpaarzahl sogar auf fünf erhöht.
Die selbständige " Posthalterey Geylenkirchen " wurde zwischen 1771 und 1773 eingerichtet und besorgte wöchentlich planmäßig einmal und außerplanmäßig bis zu zweimal den Postverkehr zwischen Sittard und Geilenkirchen 2. Seither hat sich manches geändert, aber die einschneidendste Verbesserung der Verkehrsverhältnisse war auf langer Sicht die Eröffnung der Kreisbahn am 7.4.1900.
Nun konnte die Fahrt beginnen, die Fahrt in das neue Jahrhundert, in eine erhoffte bessere Zukunft für die Bevölkerung des Grenzlandes, die von der Kreisbahn Erleichterungen in ihrer Arbeit und Verbesserungen im Hinblick auf die Nutzung der gebotenen neuen Möglichkeiten erwartete. Doch die Bewohner im Selfkant hatten noch ein gewisses Mißtrauen gegen die dampfende, prustende Lokomotive. Die neue Zeit mit ihrer als Hektik empfundenen Betriebssamkeit, die ungewohnte neue Technik des Befördertwerdens, mag damals als Einbruch in die althergewohnheiten Bahnen empfunden worden sein. Da bestieg der Pfarrer aus Tüddern als einer der ersten den Zug der Kreisbahn und trug dazu bei, dem Mißtrauen gegen das Neue die Spitze zu nehmen.
Die Selfkänter gewöhnten sich rasch an die neue Errungenschaft und lernten die nüchterne Zweckmäßigkeit der gerade in Betrieb genommenen Einrichtung kennen und schätzen, brachte sie doch die Kreisbahn schnell und bequem zu den wöchentlichen Markttagen nach Geilenkirchen. Allerdings war so eine Reise nicht so eine Hast und Eile wie heute eine Fahrt im Straßenverkehr ist. Von Gangelt bis Geilenkirchen brauchte der Zug immerhin 45 Minuten.
Natürlich lagen viele Wirtshäuser und Bahnhofswirtschaften an der Strecke, aber daß die Lokomotivführer extra schneller fuhren, um an der nächsten Wirtshaustheke einen Klaren zu trinken, gehört natürlich in den Bereich der Phantasie. Schließlich wußte man, was man seinen Pflichten als preußischer Kleinbahn - Konukteur oder Lokomotivführer schuldig war. So gehörte neben der schmucken Uniform auch der obligatorische Schleppsäbel zum Habitus der Kleinbahnbediensteten, und voller Stolz und Selbstbewußtsein präsentierte man sich bei entsprechenden Gelegenheiten den Photographen und stellte sich mitsamt seiner Mannschaft vor den abfahrbereiten Zügen in Positur. Dennoch muß es die Geruhsamkeit der Zeit wohl gestattet haben, an den Stationen, die dazu eine Möglichkeit boten, hin und wieder während der fahrplanmäßigen Pausen ein Glas Bier oder ein Schnäpschen zu trinken. Zwar waren nur in Alsdorf, Geilenkirchen und Tüddern feste bahneigene Bahnhofsgebäude errichtet worden, mittlerweile waren aber in fast jedem Bahnhof durch die WEG Gebäude mit Schankwirtschaften errichtet worden, die an Private verkauft oder verpachtet wurden und deren Bahnhofswirte gleichzeitig Agenturen für die Bahn betrieben ( Fahrkartenverkauf, Stückgutannahme, Bereitstellung eines Warteraumes ). Diese einheitlichen oder ähnlichen Baustil errichteten Bahnhofsgebäude künden auch heute noch von der Kreisbahn, so in Wehr, Süsterseel, Gangelt, Schierwaldenrath und Birgden. Aber auch Gillrath, Immendorf, Puffendorf und Baesweiler hatten ihre Bahnhofswirtschaft, wo das Kreispersonal gerne einkehrte. Oft, so wird erzählt, zeigten sich die Fahrgäste so spendabel, daß sie dem Fahrpersonal ein Helles traktierten. Das kostete damals ja nur fünf Pfennige. Auf der Hinfahrt von Geilenkirchen nach Tüddern waren so die Bahnhofswirtschaften in Langbroich - Schierwaldenrath und Wehr feste Stationen, während zurück von Tüddern nach Geilenkirchen die Gaststätten von Gangelt und Birgden an der Reihe waren.
Trotz aller jener Zeit nachgesagten Geruhsamkeit gab es bereits im Eröffnungsjahr erste Beschwerden über die neue qualmende Errungenschaft. Reisende und Anlieger fühlten sich vielfach belästigt durch das Qualmen der auf den Bahnhöfen vor den Zügen haltenden Lokomotiven. In einer Dienstanweisung vom Juni 1900 wies die WEG die unterstellten Bahnen an ( neben der Geilenkirchener Kreisbahn betrieb die WEG u.a. die Euskirchener, Bergheimer und Gummersbacher kreiseignen Bahnen sowie Ronsdorf - Müngsten u.a. ), ihre Lokführer auf eine sachkundige Wartung des Feuers hinzuweisen. Bei Qualmen infolge stark rauchbildender Kohlen sollte die Rauchbildung durch Ansetzen des Bläsers bei gleichzeitigem geringfügigen Öffnen der Stochlochthüre beseitigt werden. Kurz vor den Bahnhöfen oder auf denselben war das Aufgeben von frischem Brennmaterial zu unterlassen, und haben zuwiderhandelnde Führer unnachsichtige Strafen zu gewärtigen. Umweltschutz 1900.
Im Dezember 1905 kam es zu dem erwähnten ersten Nachvertrag, um die 3,73 km lange Strecke Süsterseel - Tüddern einschließlich der dafür durch die WEG angeschafften Betriebsmittel in Eigentum des Kreises zu übernehmen. Zur Deckung des Kaufpreises von 250.000 Mark nahm der Kreis Geilenkirchen ein weiteres Darlehen auf, und zwar bei der Schlesischen Boden - Kredit Aktienbank.
Bildquelle Verlag Schweers + Wall GmbH